ÜBER DIE TÄNZERIN UND CHOREOGRAPHIN REINHILD HOFFMANN

von Theresia Birkenhauer

Reinhild Hoffmann gehört – mit Susanne Linke, Pina Bausch, Gerhard Bohner und Johannes Kresnik – zu der Pioniergeneration des deutschen Tanztheaters. Ihre Ausbildung erhielt sie bei Kurt Jooss an der Folkwang Hochschule Essen. Nach ersten choreographischen Arbeiten und verschiedenen Stipendien, u.a. in New York, gründete sie 1978 am Bremer Theater ein eigenes Tanztheaterensemble.

Ihre dort entstandenen Arbeiten waren verstörend, weil schwer zuzuordnen, unterschieden sie sich doch vom traditionellen Handlungsballett ebenso wie von der klassischen Moderne des Ausdruckstanzes. Es waren nicht mehr länger Choreographien im üblichen Sinn, die Übersetzung einer vorgegebenen Erzählung in die Sprache des Tanzes, sondern tatsächlich "Stücke", eigene Kompositionen aus Bewegung, Raum und Klang, die das Thema, das sie erzählen, überhaupt erst hervorbringen.

Ihre Soloarbeiten setzen nicht auf ein schon vorhandenes Vokabular, sie erforschen immer wieder neu die Sprache des eigenen Körpers, indem sie dessen Ausdruckspotential radikal beschränken – durch unbewegliche oder sperrige, durch massive oder durch äußerst reduzierte Objekte. In Stücken wie diesen tritt die Auseinandersetzung mit der bildenden Kunst in den Vordergrund. Auch sie bestimmt die Arbeiten Reinhild Hoffmanns von Anfang an.

Die Stücke, die Reinhild Hoffmann zunächst am Bremer Theater (1978-1986) dann am Schauspielhaus Bochum (1986-1995) erarbeitete, wurden auf vielen internationalen Gastspielen gezeigt und erhielten zahlreiche Auszeichnungen; drei Stücke – Könige und Königinnen (1983), Callas (1984) und Föhn (1986) – wurden zum Berliner Theatertreffen der herausragenden Inszenierungen einer Spielzeit eingeladen.

In der Begründung des Kritikerpreises, den Reinhild Hoffmann 1983 erhielt, heißt es: "Die Auszeichnung gilt einer Choreographin und Tänzerin, die seit Ende der siebziger Jahre dem Bremer Tanztheater ein unverwechselbares Gesicht und darüber hinaus dem modernen Tanz in der Bundesrepublik wesentliche Impulse gegeben hat. Es ist ihr gelungen, den freien Tanz in den Betrieb eines städtischen Theaters zu integrieren und zur internationalen Ausstrahlung des zeitgenössischen Tanzes durch Gastspiele im Ausland beizutragen."

Veröffentlicht in: Programmheft DAS MÄDCHEN AUS DER FREMDE. Nationaltheater Mannheim / Oper, 2005